Vallée de Joux

Die Sanglière

Foto ValJ_144
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Bast-Schälen

Mari­an­ne Go­lay schält die ober­ste Rin­den­schicht von der Rot­tan­ne ab. Dar­un­ter liegt der be­gehr­te Bast.

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Die Sanglière

Mari­an­ne Go­lay (56) ist San­gli­ère. Das hat nichts mit einem Wild­schwein («san­glier») zu tun, son­dern mit den «san­gles». So nennt man die hauch­dün­nen Bast­strei­fen aus Rot­tan­nen­rin­de, die den «Va­che­rin du Mont d'Or» um­gür­ten und dem Kä­se eine Duft­no­te von Rin­den­harz, Moos und Wald ver­lei­hen. Eine San­glière ist dem­nach eine Frau, die die­se Bast­rin­den vom Baum schält. So­bald eini­ge ge­eig­ne­te Fich­ten­stäm­me im Wald für Ma­ri­an­ne Go­lay be­reit­lie­gen, zieht sie los. Beim Baum an­ge­kom­men, ent­rin­det sie ihn mit dem Schin­del­eisen bis zum er­sten Ast­loch. Nun kommt die Bast­schicht zum Vor­schein. «Je­der Baum ist an­ders», sagt sie. «Mal ist die Bast­schicht feucht, mal troc­ken, mal hart, mal eher weich.» Zü­gig schnei­det sie Strei­fen ein, schält sie ab und legt sie über den nack­ten Stamm. Sie macht das nun schon seit 18 Jah­ren, «im­mer im Früh­ling und Herbst, denn im Som­mer ist der Wald ge­schützt». Die Leh­re hat sie als Sek­re­tä­rin in einem Uhr­ma­cher­be­trieb ge­macht. We­gen der Kri­se fand sie kei­nen Teil­zeit­job, den sie ne­ben der Fa­mi­li­en­ar­beit hät­te an­neh­men kön­nen. So führ­te sie ihr Ehe­part­ner, ein För­ster, in das San­glier-Hand­werk ein. Auf die­se Wei­se konn­te sie wäh­rend der Aus­bil­dung ih­rer bei­den Söh­ne für die Fa­mi­lie da­zu­ver­die­nen.

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Mehr Passion als Job

In der Zwi­schen­zeit hat Ma­ri­an­ne Go­lay eine Teil­zeit­ar­beit als Sek­re­tä­rin ge­fun­den, und die Söh­ne ste­hen als Land­wirt und För­ster auf eige­nen Bei­nen. Trotz­dem macht Ma­ri­an­ne Go­lay im Win­ter Kraft­trai­ning, um für die schwe­re Ar­beit im Wald fit zu sein. So­lan­ge sie kann, wird sie wei­ter ma­chen — wohl wis­send, dass sie kaum eine Nach­fol­ge fin­den wird. «Es ha­ben sich schon eini­ge jun­ge Leu­te in­ter­es­siert», sagt sie. «Nach einem Mor­gen sind sie nicht wie­der­ge­kom­men. Zu gross ist die Mü­he, zu klein der Ver­dienst.» Nur: Ma­ri­an­ne Go­lay rech­net an­ders. Sie sieht sich vor al­lem be­lohnt mit der Ru­he im Wald, mit den fei­nen Düf­ten, die sie dort um­ge­ben, und mit dem Ge­fühl, mit einem tra­di­tio­nel­len Hand­werk ein re­gio­na­les Pro­dukt zu ver­edeln.

(Text aus der Broschüre 2017 der Schweizer Patenschaft für Berggemeinden)


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